Die Klimaschutz-Bewegung greift zu drastischen Mitteln, die in der Bevölkerung nicht immer Zuspruch finden. Betreiben Klima-Akivist* innen die richtige Form des zivilen Ungehorsam? Gert Scobel analysiert konstruktiv die aktuelle Diskussion.
Richard David Precht trifft die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Sie sprechen über Moral, Krieg und Klima-schutz. Und darüber, wie man optimistisch bleibt in schweren Zeiten. Für viele junge Leute spielen moralische Werte heute eine deutlich wichtigere Rolle als für frühere Generationen. Moralische Anschauungen werden eng verbunden mit sozialem, ökologischem, ökonomischem und politischem Handeln. All dies findet sich in der Klimafrage wieder: Was ist eine gerechte Politik und welche Haltung sichert der Menschheit ihr Überleben?
Greta Thunberg ist die Ikone der weltweiten Klimabewegung. 2018, im Alter von 15 Jahren, begann sie in Stockholm für mehr Klimaschutz zu streiken. Greta Thunberg bemängelt, dass die Klimakrise immer noch nicht als wirkliche Notlage behandelt werde. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass dies durchaus möglich sei. Auch der Krieg dürfe nicht dafür sorgen, dass die Klimakrise aus dem Fokus gerät: „Jeder Krieg ist ein Desaster. Auf ganz vielen Ebenen. Aber wir müssen in der Lage sein, uns mit verschiedenen Dingen zur selben Zeit zu beschäftigen.“
Die Zersiedelungsinitiative ist zwar nicht gewonnen, aber eine engagierte Kampagne legte den Grundstein für eine bessere Raumplanung.
Die Zersiedelungsinitiative wurde am 10.02.2019 abgelehnt. Dennoch ist sie ein langfristiger Erfolg. 36 Prozent sagten ja zum Anliegen, das die Bauzonen nicht mehr weiterwachsen lassen und den Boden und die Landschaft für die zukünftigen Generationen erhalten will. Das ist ein Achtungserfolg. Angesichts der sehr geringen Unterstützung im Parlament und der massiven Gegenkampagne des Bundesrates ist das Resultat ein starkes Zeichen für eine nachhaltige Raumplanung. Im Hinblick auf die zweite RPG-Revision heisst das, dass der Widerstand vorprogrammiert ist, sollte das Bauen ausserhalb der Bauzonen gelockert werden.
Die Initianten werden die Initiativgegner beim Wort nehmen bezüglich der Beteuerungen im Abstimmungskampf, dass das bestehende Gesetz genüge. Die Zersiedelung ist nicht gestoppt, weshalb der Handlungsbedarf nun mit jedem Jahr offensichtlicher werden wird. Es ist daher lediglich eine Frage der Zeit, bis die Forderung der Zersiedelungsinitiative wieder auf den Tisch kommt.
Die Abstimmungsallianz hat ein Thema auf die Agenda gebracht, bei dem die Problemlage offensichtlich ist, die meisten Parteien aber davor zurückschrecken, wirksame Massnahmen zu ergreifen. Das Zersiedelungsproblem lässt sich aber nicht mehr länger kleinreden. Ein grosser Teil der Bevölkerung hat das erkannt. Der lokale Widerstand wird in Zukunft bei jeder geplanten Einzonung zunehmen. Die Einsicht, dass der Boden nicht nachwächst, wird sich durchsetzen. Die Zersiedelungsinitiative hat hierfür einen wichtigen Grundstein gelegt.
01.02.2019. Am 10. Februar stimmt die Schweiz über die Zersiedelungsinitiative ab. Die von den Jungen Grünen lancierte Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung» will das Wachstum der Bauzonen in der Schweiz endlich beenden.
Gastkommentar von Stefan Grass im Bündner Tagblatt*
In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Quadratkilometer Kulturland und naturnahe Landschaften überbaut. Jede Sekunde geht ein Quadratmeter Grünfläche verloren. Die Zersiedelung schreitet voran, weil das Bauland immer weiter vergrössert wird. Die Zersiedelungsinitiative will unsere Erholungsräume, die schönen Landschaften in der Schweiz und damit auch unsere Lebensqualität bewahren. Die Initiative will eine massvolle Nutzung des Bodens indem sie die Zersiedelung stoppt. Die Bauzonen sollen nicht mehr weiterwachsen. Die Initiative verlangt, dass für jede neue Bauzone eine andere aufgehoben wird, wobei Grösse und landwirtschaftlicher Ertragswert identisch sein sollen.
Die verbaute Fläche in der Schweiz hat über die vergangenen Jahrzehnte laufend zugenommen. Seit 1985 wurden 584 km2 überbaut, was mehr als der Fläche des Genfersees entspricht. Durch die Zersiedelung entstehen viele Probleme. So verschwindet immer mehr Kulturland, welches für die Landwirtschaft von fundamentaler Bedeutung ist. Durch die Zersiedelung steigt auch das Verkehrsaufkommen immer weiter an, was negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unsere Umwelt hat. Weniger Zersiedelung bedeutet auch weniger Verkehrsflächen, weil je dichter die Besiedelung, desto weniger Strassen sind zur Erschliessung nötig. Je kürzer die Distanzen zwischen Wohnort, Arbeitsplatz, Einkaufsmöglichkeit und Freizeit sind, desto weniger braucht es ein Auto. Um eine qualitativ hochstehende Siedlungsentwicklung nach innen sowie eine umweltschonende Mobilität zu garantieren, sind kurze velo- und fussgängerfreundliche Alltagswege sowie gute Anbindungen an den ÖV wichtig.
Die Umweltorganisationen unterstützen die Initiative der Jungen Grünen, weil sie ein dringendes Problem unseres Landes anspricht. Die Bevölkerung hat sich mehrmals für einen sorgfältigeren Umgang mit dem Boden und für die geordnete Besiedelung des Landes ausgesprochen, aber die Zubetonierung unserer Erholungsgebiete läuft ungebremst weiter. Einerseits die Annahme der Zweitwohnungsinitiative und andererseits die klare Annahme der ersten Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) in der Referendumsabstimmung. Das 2013 revidierte RPG beinhaltet wichtige Regeln, wie die Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet sowie das Gebot, die Siedlungsentwicklung nach innen zu lenken und kompakte Siedlungen zu schaffen. Eine zweite Revision des RPG zum Bauen im Nichtbaugebiet hat der Bundesrat bereits in die Vernehmlassung gegeben. Die Umweltorganisationen lancieren zudem anfangs Jahr eine eigene Raumplanungsinitiative zum Bauen im Nichtbaugebiet. Trotzdem braucht es die Initiative der Jungen Grünen. Die Annahme der Initiative würde der Zersiedelung klare Grenzen setzen, denn für jede zusätzliche Erweiterung der Bauzone müsste eine andere Bauzone um mindestens die gleiche Fläche verkleinert werden. Die Zersiedelungsinitiative macht so mit ihrer radikalen Forderung Druck auf die kommenden Revisionen des RPG.
*Stefan Grass ist Präsident des VCS Graubünden und Sekretär der Vereinigung Bündner Umweltorganisationen sowie Churer Gemeinderat