Richard David Precht trifft die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Sie sprechen über Moral, Krieg und Klima-schutz. Und darüber, wie man optimistisch bleibt in schweren Zeiten. Für viele junge Leute spielen moralische Werte heute eine deutlich wichtigere Rolle als für frühere Generationen. Moralische Anschauungen werden eng verbunden mit sozialem, ökologischem, ökonomischem und politischem Handeln. All dies findet sich in der Klimafrage wieder: Was ist eine gerechte Politik und welche Haltung sichert der Menschheit ihr Überleben?
Greta Thunberg ist die Ikone der weltweiten Klimabewegung. 2018, im Alter von 15 Jahren, begann sie in Stockholm für mehr Klimaschutz zu streiken. Greta Thunberg bemängelt, dass die Klimakrise immer noch nicht als wirkliche Notlage behandelt werde. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass dies durchaus möglich sei. Auch der Krieg dürfe nicht dafür sorgen, dass die Klimakrise aus dem Fokus gerät: „Jeder Krieg ist ein Desaster. Auf ganz vielen Ebenen. Aber wir müssen in der Lage sein, uns mit verschiede-nen Dingen zur selben Zeit zu beschäftigen.“
Wenn wir ehrlich sind, haben wir den Kampf längst verloren: Wir werden den Klimawandel nicht mehr aufhalten und mit drastischen Umbrüchen leben müssen. Gert Scobel diskutiert mit Gästen.
10.09.2022
Weniger Autos auf den Churer Strassen. Dies war der Tenor bei der Pressekonferenz zur Verkehrswende in Chur.
Von Mara Schlumpf
Tempo 30 in Chur oder eine Stadt ganz ohne Autos? Darüber war man sich an der Pressekonferenz zum Thema «Verkehrswende jetzt» am Freitag nicht ganz einig. Während Yvonne Michel Conrad vom Verkehrs-Club Schweiz (VCS) Graubünden für eine sofortige Umsetzung von Tempo 30 innerorts plädierte, gingen Agrena Schuler und Selina Arquint vom Klimastreik Graubünden mit ihrer Forderung noch ein ganzes Stück weiter: «Chur autofrei!», ist ihre Meinung. Ihre Argumente zur Forderung hatten es in sich. So führte Schuler beispielsweise an, dass der Verkehr in der Schweiz für mehr als 30 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sei, davon wiederum gingen 75 Prozent auf das Konto von Autos und Töffs. Unter dem Strich bedeutet dies, dass mehr als ein Fünftel aller Treibhausgase in der Schweiz vom motorisierten Individualverkehr verursacht wird. Schuler führte weitere Zahlenbeispiele an – wie die sechs Millionen Autos der über acht Millionen Einwohner.
Kernziel: mehr Lebensqualität
Michel Conrad sprach an der Medienkonferenz die Vorteile einer konsequenten 30er-Zone innerorts an: «Einerseits bringt die Temporeduktion mehr Sicherheit im Verkehr, andererseits befreit sie uns von einem Grossteiln des Verkehrslärms.» Zentral sei auch die Verbesserung der Lebensqualität die dadurch erreicht werde. Die gegenseitige Kommunikation würde verbessert, das Queren der Strasse ginge deutlich stressfreier vonstatten und Wartezeiten würden abnehmen. Dem stimmte auch Gion Duno Simeon von der Greenpeace-Regionalgruppe Graubünden zu: «Die Zunahme an Lebensqualität durch eine autofreie Stadt wird aus Chur die Vorzeigestadt der Schweiz machen», zeigt er sich überzeugt.
Dass der Verkehr grundsätzlich eine gute Sache sei, betonte Simon Gredig, der Geschäftsführer von Pro Velo, ausdrücklich. Nicht aber ohne die Schattenseiten des Verkehrs, wie er heute Alltag ist, zu erwähnen: «Ein Drittel der ingesamten Siedlungsfläche in der Schweiz sind Verkehrsflächen», führte er aus. Nur zehn Prozent dieser Fläche seien für den Langsam- und den Schienenverkehr gedacht. Für ihn ist klar: «Neben dem Fussverkehr ist das Velo das einzige Verkehrsmittel, das keinen Lärm macht und keine CO2-Emissionen emittiert.» Zudem sei es platzsparend und lasse sich hervorragend mit dem öffentlichen Verkehr kombinieren. Seine Schlussfolgerung zielt deshalb in eine ähnliche Richtung wie die seiner Vorredner und Vorrednerinnen: «Weniger Auto, mehr Velo!»
Kampagne ja, Initiative nein
Aktuell sei keine Initiative in Planung, um die Forderung auf die politische Bühne zu heben, betonten die Anwesenden. Was hingegen bereits gemacht wurde, sind provokante Plakate zum Thema, welche demnächst in der Stadt verteilt würden. Darauf zu lesen ist zum Beispiel «Tempo 100 innerorts» oder «mehr Grau statt grün». Nach dem Motto «Autos stinken» wollen die Beteiligten die Verkehrswende anstreben – und ein Umdenken in der Gesellschaft. Dies sei der erste wichtige Schritt, betonten sie am Freitag. Ob es später eine Initiative zum Thema geben werde, sei noch offen. Passieren müsse allerdings sofort etwas, fand auch Simeon: «Die Klimakrise ist jetzt. Der heisse Sommer ist ein Vorgeschmack dessen, was noch kommen wird.» Vor diesem Hintergrund war es für die Anwesenden von Klimastreik Graubünden auch vertretbar, mit Tempo 30 zu werben, als ersten, als Kompromiss anzusehenden Schritt. Die Verkehrswende müsse aber jetzt beginnen, wie und wodurch, das sei sekundär, so die Anwesenden. Am Ende soll in Chur einfach mehr Platz für Fussgängerinnen und Velofahrer entstehen – und mehr Grünfläche.