Richard David Precht trifft die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Sie sprechen über Moral, Krieg und Klima-schutz. Und darüber, wie man optimistisch bleibt in schweren Zeiten. Für viele junge Leute spielen moralische Werte heute eine deutlich wichtigere Rolle als für frühere Generationen. Moralische Anschauungen werden eng verbunden mit sozialem, ökologischem, ökonomischem und politischem Handeln. All dies findet sich in der Klimafrage wieder: Was ist eine gerechte Politik und welche Haltung sichert der Menschheit ihr Überleben?
Greta Thunberg ist die Ikone der weltweiten Klimabewegung. 2018, im Alter von 15 Jahren, begann sie in Stockholm für mehr Klimaschutz zu streiken. Greta Thunberg bemängelt, dass die Klimakrise immer noch nicht als wirkliche Notlage behandelt werde. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass dies durchaus möglich sei. Auch der Krieg dürfe nicht dafür sorgen, dass die Klimakrise aus dem Fokus gerät: „Jeder Krieg ist ein Desaster. Auf ganz vielen Ebenen. Aber wir müssen in der Lage sein, uns mit verschiede-nen Dingen zur selben Zeit zu beschäftigen.“
Wenn wir ehrlich sind, haben wir den Kampf längst verloren: Wir werden den Klimawandel nicht mehr aufhalten und mit drastischen Umbrüchen leben müssen. Gert Scobel diskutiert mit Gästen.
05.09.2022
Mit dem Schwund der Gletscher gehen Forschenden auch Daten verloren: Am Corvatschgletscher ist in diesem Sommer so viel Eis geschmolzen, dass er nun gar nicht mehr vermessen werden kann.
von Oliver Graf
Das Messprogramm am Vadret dal Corvatsch in der Berninagruppe kann nun definitiv nicht mehr weitergeführt werden, weil an den Messstellen schlicht das Eis fehlt, wie der Glaziologe Matthias Huss berichtet. Es bleibe dem Team deshalb nur noch, alles Material einzusammeln und abzuräumen.
7000 Jahre alte Eisschichten
Huss, Leiter des Schweizerischen Gletschermessnetzes «Glacier Monitoring Switzerland» (Glamos), bezeichnete den diesen Sommer am kleineren Gletscher registrieren Eisverlust als extrem. «Was wir sehen, war stärker als alles, was wir bisher für möglich gehalten haben», so Huss. Am Corvatsch seien Eisschichten geschmolzen, die dort teils seit rund 7000 Jahren gelegen hätten.
Dass die Messgeräte am Corvatsch abgebaut werden müssen, kommt an sich nicht überraschend. Schon im Jahr 2019 wurde entschieden, die Messprogramme an drei kleineren Gletschern auslaufen zu lassen – am Vadret dal Corvatsch sowie am Pizolgletscher und Schwarbachfirn. Weil die Verlustraten aber besonders im vergangenen Jahr geringer ausfielen als in den Jahren davor, habe man gehofft, doch noch eine Weile Messungen durchführen zu können, sagte Huss. Aus technischen Gründen könne der weitere Eisverlust nicht mehr vermessen werden.
Mit dem Schmelzen des Eises habe sich auch die Landschaft dramatisch verändert, sagte Huss. Das zuvor schon dünne Eis verschwinde an vielen Stellen. Am Corvatsch sei ein Eisgrat mit dem Jahrtausende alten Eis fast ganz verschwunden. Vom Eis sei da nur noch ein kleiner Rest sichtbar.
Hälfte des Volumens verloren
Glaziologen vermessen im Rahmen von Glamos seit Jahrzehnten Gletscher in Bezug auf Schneemenge im Winter und Schneeschmelze im Sommer, um die langfristigen Gletscherveränderungen in den Schweizer Alpen zu erforschen. Glamos wird gemeinsam von der ETH Zürich sowie den Universitäten Freiburg und Zürich betrieben und steht in engem Kontakt zur Expertenkommission für Kryosphärenmessnetze.
Der Gletscherschwund ist kein neues Phänomen: Das Volumen der Schweizer Gletscher hat sich zwischen 1931 und 2016 halbiert. Zu diesem Schluss kam eine Anfang August publizierte Studie der ETH Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft.
Auch wenn in den 1920er- und 1980er-Jahren die Eismassen teils wuchsen, sei das Klima im 20. Jahrhundert für Gletscher insgesamt ungünstig gewesen, hiess es in der Studie. Im Verlaufe der Zeit seien sie immer schneller geschmolzen.
Die Studie zeigte weiter, dass nicht alle Gletscher gleich vom Schwund betroffen waren. Wie stark ein Gletscher geschmolzen ist, hängt davon ab, auf welcher Höhe dieser sich befindet, wie flach die Gletscherzunge ausläuft und wie stark er mit Schutt bedeckt ist.