Richard David Precht trifft die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Sie sprechen über Moral, Krieg und Klima-schutz. Und darüber, wie man optimistisch bleibt in schweren Zeiten. Für viele junge Leute spielen moralische Werte heute eine deutlich wichtigere Rolle als für frühere Generationen. Moralische Anschauungen werden eng verbunden mit sozialem, ökologischem, ökonomischem und politischem Handeln. All dies findet sich in der Klimafrage wieder: Was ist eine gerechte Politik und welche Haltung sichert der Menschheit ihr Überleben?
Greta Thunberg ist die Ikone der weltweiten Klimabewegung. 2018, im Alter von 15 Jahren, begann sie in Stockholm für mehr Klimaschutz zu streiken. Greta Thunberg bemängelt, dass die Klimakrise immer noch nicht als wirkliche Notlage behandelt werde. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass dies durchaus möglich sei. Auch der Krieg dürfe nicht dafür sorgen, dass die Klimakrise aus dem Fokus gerät: „Jeder Krieg ist ein Desaster. Auf ganz vielen Ebenen. Aber wir müssen in der Lage sein, uns mit verschiede-nen Dingen zur selben Zeit zu beschäftigen.“
Wenn wir ehrlich sind, haben wir den Kampf längst verloren: Wir werden den Klimawandel nicht mehr aufhalten und mit drastischen Umbrüchen leben müssen. Gert Scobel diskutiert mit Gästen.
03.09.2022
Das Bündner Ja-Komitee zur Massentierhaltungsinitiative sieht Vorteile für die Biodiversität in der Region.
Von Mara Schlumpf
Auf dem Hof Clavadetscher in Malans, mitten im Auslaufgehege der Bruderhähne (das sind männliche Küken aus der Legehennenbrüterei, die aufgezogen werden), präsentierte das Ja-Komitee zur Massentierhaltungsinitiative an diesem Freitag seine Argumente. Die Gegner der Initiative hatten ihre Ansichten zur Initiative, über die das Schweizer Stimmvolk am 25. September entscheiden wird, bereits vor einer Woche mitgeteilt (Ausgabe vom 25. August).
1000 Mastpoulets und 1000 Bruderhähne haben auf dem Malanser Bauernhof ihr Zuhause. Daneben halten die Landwirte auch Kühe und bieten Pensionsplätze für Pferde an. Valérie Cavin, welche den Hof mit ihrem Mann führt, produziert nach Biorichtlinien. Dementsprechend befürwortet sie ein Ja zur Initiative: «Tiergerechte Produktion ist nachhaltig und funktioniert. Und sie ist für alle besser.» Während die Gegner den Standpunkt vertreten, dass der Markt hinsichtlich Bioprodukten bereits gesättigt sei, betonte Cavin, dass sie genug Absatz für ihre Produkte findet: Kunden seien nicht nur bereit, einen Aufpreis für die tiergerechte Produktion zu bezahlen, die Grossverteiler hätten sogar weit mehr Bedarf an Biopoulet als zurzeit auf dem Markt angeboten werde.
Von der Weide auf den Teller
Giulia Casale, Ernährungsberaterin und Co-Präsidentin der SP Chur, sprach die gesundheitliche Perspektive an: «Wir essen viel zu viel Fleisch – mehr als das Doppelte, was für uns Menschen gesund wäre.» Mit der Initiative werde eine zukunftsorientierte, sozialverträgliche Fleisch- und Landwirtschaft angestrebt. Casale fordert die Menschen auf hinzuschauen: «Wo und wie leben all diese Tiere, die bei uns auf dem Teller landen? Höchstwahrscheinlich leben sie nicht bei uns in der Region und schon gar nicht im Freien.»
Nicolas Zogg, Vorstandsmitglied der Grünen Graubünden, ist ebenfalls der Meinung, die Gesellschaft konsumiere generell zu viel Fleisch. «Weniger ist mehr. Die Initiative ermöglicht den Bauern, faire und existenzsichernde Preise für nachhaltige Produkte zu erzielen.»
Begrenzte Nutzfläche
Zogg kam auch auf die Einseitigkeit der Produktion in der Schweiz zu sprechen. Das begrenzte Ackerland werde etwa hälftig zum Futtergetreide- und Silomaisanbau benötigt, führte er aus. Für ein Kilogramm Rindfleisch werde über sechs Kilogramm Getreide benötigt. Ein Unding, wie Zogg findet: «Hochwertige Nahrungsmittel an Tiere zu verfüttern, ist ökologisch unsinnig und schwächt die Selbstversorgung.» Einen Lösungsansatz sieht Zogg in standortgerechter Landwirtschaft: «Eine zukunftsfähige Landwirtschaft braucht mehr Pflanzenprodukte und weniger Tierprodukte. Tiere auf Weiden halten und auf den Ackerflächen pflanzliche Nahrungsmittel für uns Menschen anbauen – das hat Zukunft.»
Auf pflanzliche Nahrungsmittel zu setzen, ist auch im Sinn von Armando Lenz, Biologe und Geschäftsführer von Pro Natura Graubünden. «Die zu hohen Tierbestände sind eine der Hauptursachen der Biodiversitätskrise», betonte er an der Medienkonferenz. Würden die Tierbestände reduziert, nähme auch die Düngermenge ab, die Wiesen würden dadurch wieder artenreicher. Ausserdem bedeute die Annahme der Initiative einen wichtigen Schritt in Richtung klimaneutrale Landwirtschaft und eine Reduktion von drei Prozent der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft.
Die Initiative gegen Massentierhaltung möchte spätestens bis in 25 Jahren den Biostandard für die gesamte Schweiz einführen. Die Befürworter versprechen sich davon ein höheres Tierwohl und mehr Umweltschutz, die Gegner befürchten eine Preisexplosion bei tierischen Produkten.