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«Das Parlament hat das Mass verloren»

16.01.2023

Die Politik will die Wasserkraft ausbauen. Auf Kosten der letzten Freiräume, sagt der bekannte Umweltschützer und Cipra-Geschäftsführer Kaspar Schuler im Interview. Hochtäler wie das Madris, Curciusa und Greina würden auf dem Spiel stehen.

mit Kaspar Schuler sprach Pierina Hassler*

In der Frühlingssession entscheidet das eidgenössische Parlament über das Bundesgesetz zu einer sicheren Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Die internationale Alpenschutzkommission Cipra ist alarmiert und äussert tiefe Besorgnis. Dessen Geschäftsführer Kaspar Schuler sagt: «Hochtäler wie das Madris, Curciusa, Greina und auch Flusslandschaften wie die Ruinaulta stehen auf dem Spiel».

Herr Schuler, vor 25 Jahren titelte die damalige «Bündner Zeitung»: «Jubeltag für Umweltschützer – im Val Madris wird definitiv kein Wasserkraftwerk gebaut». Das Flachmoor wurde nach langem politischen Hickhack endlich geschützt. Wie ging es Ihnen damals?

KASPAR SCHULER: Ich war baff, denn der Kampf ums Madris hatte 13 Jahre gedauert, im Kern getragen von wenigen Unentwegten aus dem Domleschg, dem Avers und in Bündner Umweltorganisationen. Der Druck der Kraftwerke Hinterrhein und der Bündner Regierung war übermächtig, sie widersetzten sich mit allen nur möglichen Mitteln. Sogar die Umsetzung der positiv verlaufenen nationalen Volksabstimmung zum Moorschutz versuchten sie auszuhebeln. Erst dank der beharrlichen Courage von Bundesrätin Ruth Dreifuss wurde dem Recht Nachachtung verschafft, am 14. Januar 1998. Mir rutschte ein Bergmassiv vomHerzen.

Aktuell wird aber wieder über den Ausbau der Wasserkraftwerke diskutiert. Könnte das auch die Val Madris oder andere Landschaften in Graubünden in Bedrängnisbringen?

Leider ja, es ist erschreckend. Erst gerade hat die Schweiz das Biodiversitätsprotokoll von Kunming-Montreal unterschrieben. Es verlangt, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen grösstmögliche Sorge zu tragen, im Speziellen den Küstengebieten und Inlandgewässern. Trotzdem soll in der Schweiz der grundsätzliche Vorrang der Energieinteressen gesetzlich festgeschrieben werden. Kraftwerkseingriffe in die national geschützten Biotope sollen möglich, Neuaufnahmen verunmöglicht werden. Damit stehen Hochtäler wie das Madris und die Curciusa, die Greina, auch Flusslandschaften wie die Ruinaulta auf dem Spiel. Die Stunde der Wahrheit schlägt in der Frühlingssession Ende Februar.

Aufgrund der drohenden Stromlücke wird jetzt im Parlament eine umfassende Deregulierung der Natur- und Gewässerschutzgesetzgebungen diskutiert. Wie kann es so weit kommen?

Aufgrund der Ängste um die Energieversorgung wurden Ende September vom Ständerat die Einfallstore in den Biotopschutz geöffnet. Bundesrätin Sommaruga hat das mitgetragen und eine siebenmonatige Suspendierung der Restwassermengen hinzugegeben. Nun steht deren Verlängerung bis 2035 zur Diskussion. SVP, FDP und die Mitte gehen voran. Grünliberal knickt ein. Linksgrün reibt sich eingeschüchtert die Augen und weiss nicht recht, was noch wo zu retten ist. Das Parlament hat jedes Mass verloren.

Führt die aktuell diskutierte Strommangellage dazu, dass Politik und Strombetreiber sämtliche ethische Bedenken zur Ökologie über Bord werfen?

So ist es. Die in 40 Jahren mit vielen Kompromissen erkämpfte Natur- und Heimatschutzgesetzgebung soll abgewickelt werden. Wir bei der Cipra, seit 70 Jahren alpenweiter Zusammenarbeit verpflichtet, sind alarmiert. Die Alpenkonvention, der unter allen acht Alpenländern erarbeitete Nachhaltigkeitsvertrag, wird schlicht missachtet.

Val Madris und andere Moore, alpine Schwimmebenen und vielfältige Auen an Bündner Talfüssen stehen ganz oder teilweise unter Schutz. Weshalb kann das nun ein Thema sein, diesen Schutz zu lockern? Ginge das einfach so leicht?

Leicht geht das nicht, doch wenn die Dämme von Besonnenheit und Rechtsstaat zu brechen drohen, geht es schnell. In der Schweiz gilt nur auf 2,2 Prozent der gesamten Landesfläche ein strikter Biotopschutz, vorab für Amphibienlaichgebiete, Moore und Auen. Auf allen Flächen ausserhalb darf bereits heute gewirtschaftet, gebaut und genutzt werden, sogar in Landschaften von nationaler Bedeutung, den BLN-Gebieten. Die Bundesverfassung verlangt nur, dass eine fundierte Interessensabwägung zwischen Schutz- und Nutzungsinteressen vorgenommen wird. Auch diese Abwägungen sollen nun durch die einseitige Bevorzugung der Energieproduktion unterbunden werden.

Die Kritik an der Interessensabwägung zwischen dem Erhalt der für die Biodiversität so wichtigen Biotope und erneuerbarer Energie ist nicht neu. Der Kanton Bern wollte beispielsweise 2016 die Moorlandschaft auf der Grimsel fluten. Nützen Schutzbestimmungen überhaupt?

In einem Rechtsstaat bewahren sie vor dem Schlimmsten – sofern sich alle daran halten. An der Grimsel wurde das monströse Grossprojekt Grimsel West aufgegeben, doch mit der Genehmigung der Erhöhung der bestehenden Staumauer wurde der integral vorgeschriebene Moorschutz auf einem Teil des Gebietes geopfert.

Kann und soll die Wasserkraftin der Schweiz noch ausgebaut werden?

Die Ausgangslage ist klar: Heute sind 95 Prozent der Schweizer Gewässer gestaut oder verbaut. Die Wasserkraft ist ausgepresst wie eine Zitrone. Es bleiben uns nur noch wenige natürlich rauschende, ökologisch vitale Bäche und Flussräume. Dort sollen zusätzlich Kleinwasserkraftwerke reingestellt werden. Mit jedem Dürresommer wird die Situation prekärer, auch für die Grundwasserströme. Die ausgepresste Zitrone wird vertrocknen. Da und dort werden die Zeichen der Zeit erkannt. So gehen die Engadiner Gemeinden Bever und La Punt Chamues-ch schweizweit voran und haben ihre Bäche Beverin und Chamuera als ungenutzte intakte Gewässerperlen auszeichnen lassen. So werden touristischer und ökologischer Mehrwert geschaffen.

Wo und wie kann der Ausbauaus landschafts- und umweltschützerischer Sicht in Graubünden geschehen?

Dort, wo man sich längst geeinigt hat, beim Ausbau der Pumpspeicherung am Lago Bianco am Berninapass oder beim Kraftwerk Chlus an der unteren Landquart. Bereits die Ergebnisse des Runden Tischs Wasserkraft, ausgehandelt 2021, enthalten fragwürdige Neubauten in unerschlossenen Naturlandschaften – zufälligerweise liegen sie nicht in Graubünden. Hier sollen Erhöhungen der bestehenden Stauseen Curnera, Nalps und Marmorera geprüft werden. Wichtigeres gibt es anderswo zu tun, beim flächendeckenden Ausbau der Solarenergie auf Gewerbebauten, Hausdächern und all den Parkflächen. Auch PV-Grossanlagen auf und neben Tourismus- und Infrastrukturanlagen sowie Armeegeländen sind sinnvoll. Bei den Energiespar- und Effizienzpotenzialen liegen mindestens 10 Prozent des Stromverbrauchs brach. Ausgefeilte Konzepte von Wirtschafts- und Umweltverbänden sind seit Jahren vorhanden, doch die Elektrizitätskonzerne bevorzugen neue Grossanlagen, wo sie allein das Sagen haben.

Man könnte den Umweltschützern auch vorwerfen, eine intakte Umwelt zu bevorzugen und dafür eine Strommangellage in Kauf zunehmen.

Das wäre ein Irrtum. Die Umweltbewussten gehen voran seit Ende der Siebzigerjahre. Ihr Einsatz zum rechtzeitigen Ausstieg aus den fossilen Energien, aus der Atomkraft und zur breiten Anwendung der Solarenergie – alles wurde bemäkelt und halbwegs niedergerungen, obwohl sie bei der Wasserkraftnutzung immer wieder nachgegeben haben. Jetzt droht erneut die Fokussierung darauf. Im europäischen Kontext betrachtet, will die Schweiz zu viel im Alleingang stemmen und trotzdem vom Stromexport profitieren. Bei uns wird mit dem vom Grossen Rat Ende 2021 unisono beschlossenen Aktionsplan Green Deal für Graubünden ein guter Weg gewiesen.

Wie, meinen Sie, würde die heutige Gesellschaft auf eine allfällige Lockerung der Schutzbestimmungen für die alpinen Täler und Auengebiete reagieren?

Verblüfft und entsetzt. Verblüfft, weil das Bewusstsein über die unheimliche Brisanz im aktuellen Ringen um den Biotopschutz noch gar nicht breit vorhanden ist. Entsetzt, weil die Bevölkerung ein klares Empfinden hat. In zwei fundierten, repräsentativen Umfragen des ETH-Forschungsinstituts WSL von 2018 und 2022 war das Ergebnis eindeutig, sogar während des Kriegs in der Ukraine: keine Energieanlagen in unberührten Berggebieten. Ja zu Anlagen in touristisch geprägten Alpenlandschaften und Siedlungsgebieten im Mittelland.

* Das Interview wurde schriftlich geführt.

Zur Person

Der 64-jährige Kaspar Schuler war 13 Jahre auf Bündner Alpen als Senn und Hirt tätig. Davon sieben Jahre in der Val Madris. Daneben arbeitete er als freier Journalist und in der Entwicklungszusammenarbeit. Von 2001 bis 2015 war er Geschäftsleiter bei Greenpeace Schweiz und leitete das Programm Klima & Energie. Seit 2018 ist Schuler Geschäftsführer bei der internationalen Alpenschutzkommission Cipra in Liechtenstein. Mit seiner Familie lebt er in Malans.

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